Delfinarien

Es gibt zwei Arten von Delfinfans: Die einen finden Delfinarien toll, weil sie die geliebten Tiere endlich einmal aus der Nähe sehen und vielleicht sogar anfassen können. Die anderen würden sich für nichts auf der Welt dazu überreden lassen, ein Delfinarium zu besuchen, weil man dort den Tieren einfach nicht gerecht werden kann. Lass uns gemeinsam schauen, was dahinter steckt.

Welche Delfine gibt es in Delfinarien?

In Delfinarien werden hauptsächlich Große Tümmler und Orcas gehalten. Grund dafür ist, dass nur diese beiden Arten sich erfolgreich trainieren lassen.

Große Tümmler

Der Große Tümmler ist heute für die meisten von uns das Sinnbild eines Delfins. Durch Delfinarien und die weltberühmten Flipper-Filme ist diese bis zu vier Meter große Art etwa seit den 60er Jahren jedem ein Begriff.

Orcas

Mit bis zu knapp 10 Metern Länge ist der Orca die größte Delfinart. Er wirkt natürlich sehr imposant und wird oft als besondere Attraktion angepriesen.

Gelegentlich findet man in Delfinarien auch noch andere Arten. Wir wollen uns hier aber auf die Großen Tümmler und Orcas konzentrieren, weil wir diese beiden Arten durch unsere Beobachtungen in der Straße von Gibraltar am besten kennen.

Ist die Haltung im Delfinarium artgerecht?

Kann man Delfine in einem Delfinarium eigentlich artgerecht halten? Also so, dass sie ein ähnlich erfülltes Leben führen können wie in der Natur? Klick dich durch unsere Übersicht und schau dir ein paar Kriterien an, wie Beckengröße, Bewegungsdrang und Geschwindigkeit.

Beckengröße

Die Größe und Form der Becken variiert sehr stark. Was wäre denn eine annehmbare Größe? Nehmen wir für unser Beispiel ein Fußballfeld, das kann sich jeder vorstellen.

Ein Fußballfeld ist etwa 100 x 70 Meter groß. Geben wir noch 5 Meter Tiefe dazu, dann wirkt so ein Becken mit 35.000 Kubikmetern bzw. 3,5 Millionen Litern Wasser doch recht beachtlich. Die Delfine scheinen zumindest viel Platz zu haben. Oder täuscht das?

Bewegung pro Tag

Wie du oben gelesen hast, schwimmen Orcas etwa 65 km am Tag, große Tümmler sogar über 100 km. Im Vergleich dazu: Wir Menschen gehen pro Tag durchschnittlich 6 Kilometer.

Würde man den Platz danach für uns ausrichten, hätten wir für den Rest unseres Lebens nur 10 x 7 Meter zur Verfügung. Die 70 Quadratmeter müssten wir uns aber noch mit Fremden teilen. Und damit es nicht zu Rangeleien kommt, hat die meiste Zeit jeder auch nur einen  begrenzten Bereich zur Verfügung.

Geschwindigkeit

Spätestens wenn wir die Geschwindigkeit der Delfine hinzunehmen, ist unser Fußballfeld großes Becken auf einmal winzig klein.

Der menschliche Weltrekord über 100 m Freistil  liegt bei 46,91 Sekunden. Schau doch mal, wie langsam das im Vergleich zu den Delfinen ist. Selbst wenn die Tiere normalerweise nur halb so schnell schwimmen, haben sie den Beckenrand in null Komma nichts erreicht.

Möglichkeiten

Wenn unser Schwimmer irgendwann endlich sein Ziel erreicht hat, verlässt er das Becken und beschäftigt sich mit anderen Dingen. Und die Delfine?

Stell dir vor, du hättest tagein, tagaus, für den Rest deines Lebens immer nur dieselbe Fläche zur Verfügung, die du in 10-20 Sekunden abschreiten kannst. Immer dasselbe Programm – ohne Abwechslung. Spätestens seit Corona können wir wohl alle nachempfinden, wie sich das anfühlen muss …

Realität

Unser Fußballfeld mit eine Länge von 100 Metern entspricht gerade einmal 30 Delfin-Längen bzw. 12 Orca-Längen. Schauen wir uns aber Bilder oder Videos von Delfinarien an, sehen wir, dass die Becken in Wirklichkeit sogar noch deutlich kleiner sind …

Auch in der Natur ist der Lebensraum begrenzt

Man könnte argumentieren, dass viele Delfine in der Natur auch nur einen begrenzten Lebensraum haben. Die Großen Tümmler in der Straße von Gibraltar sind zum Beispiel resident, das heißt sie halten sich ganzjährig in der Straße von Gibraltar auf.

Doch schauen wir uns die Karte zum Verbreitungsgebiet der Großen Tümmler in der Straße von Gibraltar an: Die Meerenge ist etwa 60 km lang und an ihrer schmalsten Stelle 14 km breit. Selbst wenn wir nur den gelben Bereich nehmen, wo sich die Großen Tümmler hauptsächlich aufhalten, kommen wir auf etwa 2 x 7 km, also 14 Quadratkilometer. Das entspricht 2000 Fußballfeldern! Aber die Tiere halten sich ja nicht nur an der Wasseroberfläche auf. Die meiste Zeit verbringen sie sogar unter Wasser – bis in 200 Meter Tiefe. Diese Strecken müssen wir also zum Platzbedarf noch hinzurechnen.

Das Gebiet der Orcas ist noch deutlich größer: Einige ziehen dem Thunfisch hinterher an der portugiesischen Küste Portugals entlang und halten sich nur im Sommer hier auf. Im Dezember 2019 wurden Orcas vor Sizilien gesichtet, die ursprünglich aus Island stammten. Die über 5000 km lange Strecke ist die längste bisher verzeichnete Wanderung von Orcas, wobei die Tiere auch die Straße von Gibraltar durchkreuzten.

Im folgenden Video begleiten wir eine Orca-Familie ein Stück. Ist es nicht toll, diese stolzen Tiere so kraftvoll ziehen zu sehen? Man möchte sich gar nicht vorstellen, dass sie in Gefangenschaft nach knapp sieben Sekunden bereits den Beckenrand erreicht hätten …

Woher kommen Delfine im Delfinarium?

Auch wenn die vermeintlich „besseren“ Delfinarien nach eigener Aussage durch Zuchterfolge nicht mehr auf Wildfänge angewiesen sind, werden auch weiterhin jedes Jahr noch viele Delfine wild gefangen. Der Dokumentarfilm „Die Bucht“ zeigt die ganze Gewalttätigkeit: Von Booten in eine Bucht getrieben, werden die meisten Delfine abgeschlachtet, wobei man besonders schöne Jungtiere von ihren Müttern trennt und zum Weiterverkauf an Delfinarien einfängt. Die Tiere mussten das Massaker an ihrer Familie miterleben und werden dann für den Rest ihres Lebens in ein Delfinarium verbannt … Sofern sie den Transport überleben: Etwa die Hälfte der Delfine überstehen den Transport nänlich nicht, ein weiterer Teil stirbt am Zielort an Infektionskrankheiten.

In Delfinarien werden wahllos Gruppen aus Tieren unterschiedlicher Familien, Kulturkreise und sogar Meeren zusammengewürfelt. Einige reicht man von einer Einrichtung an die nächste weiter. So werden auch in Gefangenschaft geborene Tiere häufig wieder von ihrer Familie getrennt.

In der Natur dagegen kann man sehr gut beobachten, wie eng die Familienbande ist. Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben. Bei den Orcas werden die Familien zum Beispiel vom ältesten Weibchen angeführt. Unser Patentier Matriarchin (hinten) ist so eine Anführerin. Sie ist immer in Begleitung ihrer Familie und hilft nun auch als Oma ihren Töchtern bei der Aufzucht von deren Jungtieren.

Bei den Großen Tümmlern kümmert sich ebenfalls die gesamte Familie darum, dem Nachwuchs alles beizubringen, was fürs Überleben im Meer wichtig ist. Die einzelnen Tümmler-Familien in der Straße von Gibraltar bestehen aus etwa zwölf Tieren; bei größeren Zusammenkünften können es sogar über einhundert sein. Im Video sehen wir eine Tümmler-Familie beim Spiel. Wenn den Tieren danach ist, kommen sie dabei sogar ganz nah an unser Boot heran und lassen uns an ihrem Leben teilhaben – in ihrem natürlichen Lebensraum!

Jederzeit zur Show bereit?

In Delfinarien gibt es feste Zeiten, zu denen die Delfine Tag für Tag ihr Können präsentieren müssen. Aber sind sie wirklich immer zu Sprüngen aufgelegt?

Auch beim Whale-Watching in der Straße von Gibraltar begeistern die Großen Tümmler unsere Gäste oft mit spektakulären Sprüngen. Unseren Aufzeichnungen zufolge nimmt das Verhalten jedoch im Laufe der Saison kontinuierlich ab, wie man in den Grafiken gut erkennen kann. Wir nehmen an, dass diese Aktivitäten mit der Paarungszeit im Frühling zusammenhängen. Vielleicht haben sie gegen Ende der Saison aber auch den Schnabel voll von den vielen Whale-Watchern? Wie dem auch sei, während sich die Delfine in der Natur dann einfach zurückziehen können, wird ihren Artgenossen im Delfinarium tagein tagaus dieselbe Show-Bereitschaft abverlangt …

Grafik zur Verdeutlichung, wie die Aktivitäten der Großen Tümmler im laufe der Whale-Watching-Saison abnehmen

Unsere Beobachtungen in freier Wildbahn: Große Tümmler pro Fahrt (oben) vs. Aktivitäten wie Springen, Bowriding usw. (unten)

Der Druck der Bevölkerung wächst

Die hohe Sterblichkeit der Tiere in Gefangenschaft hat weltweit zu Protesten gegen die Haltung von Delfinen geführt. Auf Druck der Bevölkerung wurden Delfinarien in einigen Ländern inzwischen wieder abgeschafft, zum Beispiel in Großbritannien (1993), Indien (2013), und Finnland (2014). Nachdem im letzten Schweizer Delfinarium innerhalb von drei Jahren acht Tiere gestorben waren, wurde auch dieses 2013 geschlossen. In Frankreich ist seit 2017 die Nachzucht und Haltung von Delfinen in Gefangenschaft verboten.

Auch viele renommierte Reiseveranstalter verzichten inzwischen auf Werbung und Ausflugsangebote zu Delfinarien. Aber besonders beeindruckend ist, dass einige der vehementesten Delfinariengegner früher selbst als Delfintrainer arbeiteten. Der bekannteste unter ihnen ist wohl Ric O’Barry. Er dressierte die Delfine für die Flipper-Filme. Nachdem Kathy, eine der fünf Flipper-Darstellerinnen in seinen Armen den Freitod wählte, indem sie einfach aufhörte zu atmen, krempelte er sein Leben um und widmet es nun dem Schutz der Tiere. Sein oben bereits erwähnter Film „Die Bucht“ gewann 2010 einen Oscar als bester Dokumentarfilm.

Die Dokumentation „Blackfish“ (Der Killerwal) von Gabriela Cowperthwaite erzählt die Geschichte des Orcas Tilikum, der 1983 vor Island gefangen wurde und am Tod von drei Menschen beteiligt war. Mithilfe von Wissenschaftlern und ehemaligen Delfintrainern versucht der Film, die Ursachen für das aggressive Verhalten zu erklären.

Kann man Delfine wieder auswildern?

Es gibt Programme zur Auswilderung von gefangenen Delfinen. Tiere, die aus der freien Wildbahn stammen, versucht man wieder in ihre Heimat zu bringen und hofft, dass sie erneut Anschluss an ihre Artgenossen finden. Bereits in Gefangenschaft geborene Tiere lassen sich aber nicht auswildern. Sie wurden von klein auf von totem Fisch ernährt und haben nie gelernt zu jagen oder sich in den Weiten der Meere zu orientieren.

Was könnte aus diesen Tieren werden? Momentan werden bei Schließung von Delfinarien die Tiere leider oft nur an andere Delfinarien weitergegeben. Es gibt aber verschiedene Bemühungen für sogenannte Dolphin Sanctuaries. In geeigneten Buchten will man eine Art „Alterswohnsitz“ für diese Tiere schaffen und ihnen so ein artgerechteres Leben ermöglichen. Auch unsere Stiftung firmm hatte ein solches Projekt in Planung und dafür eine wunderbare Bucht in Marokko in Aussicht. Leider brachten die Behörden vor Ort dieses Vorhaben zum Scheitern. 

Zusammenfassung

Nach all den Informationen verstehst du sicher, warum kein Delfinarium der Welt diesen Tieren gerecht werden kann. Lass uns das Wichtigste noch einmal zusammenfassen.

Wie möchtest du weitermachen?

Was interessiert dich als Nächstes? Möchtest du weitere Lernthemen auf firmm-education entdecken oder dich noch weiter mit dem Thema Delfinarien befassen? Für beides haben wir hier ein paar Empfehlungen.

Lernthemen-Empfehlungen

Zu den hier behandelten Punkten passen besonders gut folgende Themen:

Quellen und Zusatzinfos

Du willst noch mehr darüber wissen, warum Delfine nicht ins in Delfinarium gehören? In unseren Quellen für dieses Lernthema findest du viele zusätzliche Informationen:

Stiftung firmm

Die Stiftung firmm setzt sich aktiv für die Erforschung und den Schutz von Walen und Delfinen und ihres Lebensraums Meer ein.

Unser Standort Tarifa an der Straße von Gibraltar dient als Forschungs­station und bietet allen Besuchern die Möglich­keit, die faszinierenden Meeressäugetiere in ihrem natürlichen Lebens­raum zu erleben.