Nahrungs­kreis­lauf im Meer

Bei allen Eingriffen von uns Menschen in die Natur ist es wichtig, das gesamte Öko­system zu verstehen: Wie hängen verschiedene Lebe­wesen voneinander ab und wie sind sie miteinander verknüpft? Der Nahrungs­kreis­lauf gibt uns da einen guten Einblick. In diesem Kapitel betrachten wir, welche Nahrungs­abhängig­keiten im Meer bestehen und was sie von der Nahrungs­kette an Land unterscheidet.

Akteure beim Nahrungs­kreis­lauf

Wenn wir uns mit dem Nahrungs­kreis­lauf beschäftigen, müssen wir zunächst einmal wissen, welche Akteure es gibt und was sie tun. Lies dir die Definitionen ganz genau durch und versuche, die Fach­ausdrücke und Beispiele richtig zuzuordnen.

Nahrungskette

Schauen wir uns zuerst die Nahrungs­kette an, denn an ihr lassen sich einige wichtige Aspekte gut erkennen.

Bei den Konsumenten unter­scheiden wir Pflanzen­fresser (Primär­konsumenten oder Konsu­menten erster Ordnung) und von Pflanzen­fressern lebende Fleisch­fresser (Sekundär­konsumenten oder Konsumenten zweiter Ordnung. Es kann noch weitere Stufen geben – das sind dann Tiere, die sich wiederum von den Fleisch­fressern der niedrigeren Ordnung ernähren. Am Ende der Nahrungs­kette stehen die End­konsumenten, die selbst keine natürlichen Feinde haben. Man bezeichnet sie auch als Spitzen­prädatoren.

Nahrungskette an Land

Wovon ernähren sich die Spitzen­prädatoren an Land? Nehmen wir als Beispiel einen Wolf, der einen Hirsch frisst, der sich von Gras ernährt hat. Die Nahrungs­kette sieht also folgender­maßen aus:

Manchmal fressen Wölfe aber auch Wildschweine. Bei denen können als Alles­fresser noch weitere Tiere auf dem Speiseplan stehen. Es wäre dann bei­spiels­weise auch folgende Nahrungs­kette denkbar:

Wenn du an weitere Spitzen­prädatoren denkst (Adler, Löwe usw.), wirst du sicher ebenfalls auf eine Kette von ungefähr 3-5 Gliedern kommen. Doch wie sieht die Nahrungs­kette im Meer aus?

Nahrungskette im Meer

Zu den Spitzenprädatoren in der Straße von Gibraltar zählt der Orca. Klick dich durch unsere Übersicht und finde heraus, was die Orcas in der Meerenge fressen, wovon ihre Nahrung lebt usw.

Orcas

Drei der in der Meerenge vorkommenden Orca-Pods ernähren sich ausschließlich von Thunfisch, den sie sich gern von der Leine der Fischer schnappen. Im Video siehst du Orcas beim Fressen – einige haben ein ergattertes Stück Fisch im Maul.

Thunfische

Thunfische fressen kleinere Fische, wie zum Beispiel Fliegende Fische.

In der Straße von Gibraltar jagen Thunfische gelegentlich gemeinsam mit Delfinen oder Vögeln. Im Video siehst du Thunfische und Sturmtaucher auf Fischfang.

Fliegende Fische

Fliegende Fische ernähren sich von größerem Zooplankton.

Der Name Plankton bedeutet das Umhertreibende, denn anders als zum Beispiel Wale oder Fische schwimmt Plankton nicht aktiv, sondern wird eher von der Strömung umhergetrieben.

Großes Zooplankton

Zum großen Zooplankton gehören zum Beispiel kleine Krebschen oder Larven von anderen Meerestieren, aber auch große Quallen. Auf dem Bild siehst du Mikroskopaufnahmen – links eine kleine Flügelschnecke und rechts einen Ruderfußkrebs.

großes Zooplankton

Die Nahrung von großem Zooplankton ist kleineres Zooplankton.

Kleines Zooplankton

Zum kleinen Zooplankton gehören winzige einzellige Tiere. Auf dem linken Bild ist Zooplankton der Art Foraminifera, rechts Radiolaria.

Kleines Zooplankton ernährt sich von pflanzlichem Plankton.

Phytoplankton

Pflanzliches Plankton bezeichnet man auch als Phytoplankton. Es handelt sich dabei um frei im Wasser treibende Algen und Bakterien. Mittels Fotosynthese produzieren sie organische Nährstoffe.

Links auf dem Bild befindet sich eine Kieselalge (Diatomee), rechts ein Dinoflagellat.

Phytoplankton

Unterschiede zwischen Land und Wasser

Was unterscheidet die Nahrungs­kette an Land von der im Meer? Überlege mithilfe der folgenden Über­schriften zuerst selbst. Klappe dann den Text zu jeder Über­schrift auf und prüfe, ob du richtig liegst.

Aussehen der Produzenten

Im Gegensatz zu Land­pflanzen, die als Gräser, Büsche und Bäume beachtliche Größen erreichen, besteht ein Großteil der Pflanzen im Meer aus winzigen Organismen, dem Phyto­plankton, z. B. Algen und Cyanobakterien.

Das Phyto­plankton treibt direkt im nährstoffhaltigen Wasser der sonnen­durch­fluteten Schichten und benötigt deshalb weder Wurzeln noch Stamm, welche bei Land­pflanzen für Halt und Nährstoff­versorgung zuständig sind.

Größe der Lebe­wesen in der Nahrungs­kette

Typischerweise werden im Meer die Lebewesen mit jedem Glied Nahrungs­kette größer. An Land hingegen können die Lebe­wesen der unteren Stufen manchmal auch deutlich größer sein. Der Wolf ist beispiels­weise kleiner als der Hirsch, und der Mais­kolben größer als die Maus.

Anzahl der Glieder in der Nahrungskette

Wenn du dir die Nahrungs­kette an Land für andere Top-Prädatoren überlegt hast, bist du wahr­scheinlich ähnlich wie wir auf 3-5 Glieder in der Kette gekommen.

Im Wasser besteht die Nahrungs­kette sehr häufig sogar aus 6 Gliedern.

Länge der Nahrungs­kette

Eine Nahrungs­kette besteht also aus einer recht begrenzten Anzahl an Gliedern, die man auch Trophie­stufen nennt (vom griechischen Wort trophein = sich ernähren). Warum sind es eigentlich nicht mehr?

Beim Stoff­wechsel wird ein Groß­teil der Energie in Form von Wärme abgegeben, ein weiterer Teil ungenutzt ausge­schieden. Nur etwa 10 Prozent der aufge­nommenen Energie können für den Aufbau und Erhalt der Körper­substanz sowie für die Körper­funktionen genutzt werden und sind so für die nächste Stufe verfügbar. An der Abbildung der Nahrungs­pyramide  kannst du diesen Energie­verlust gut erkennen. Die Info-Punkte zeigen dir Beispiel-Arten für jede Stufe an.

Je mehr Trophiestufen es gibt, desto mehr Energie-Einheiten müssen also auf den unteren Stufen der Nahrungs­kette vorhanden sein. Dieses Prinzip gilt übrigens auch für uns Menschen an der Spitze der Nahrungs­kette: Wenn wir viel Fleisch essen, muss deutlich mehr natürlicher Lebens­raum in Acker­fläche umgewandelt werden, als wenn wir unseren Fleisch­konsum einschränken oder uns direkt pflanzlich ernähren.

Was passiert, wenn Stufen eingespart werden?

Die Orca-Populationen der Welt haben unter­schiedliche Beute­schemen: Einige machen bevorzugt Jagd auf Säugetiere, die Orcas der Straße von Gibraltar fressen haupt­sächlich Thun­fisch, wieder andere bevor­zugen kleinere Fische wie Makrelen. Pro Tag braucht ein Orca etwa 50-100 kg Nahrung.

Von unseren beiden Orcas in der Abbildung frisst der eine nur Thun­fisch, der andere nur Makrelen. Da Makrelen etwa doppelt so viele Kalorien pro Gewichts­einheit haben wie Thunfisch, benötigen beide Orcas für dieselbe Energie unter­schiedlich viel Futter pro Tag. Der Thun­fisch hat in seinem Leben aber selbst schon eine ganze Menge Makrelen verspeist … Auch wenn hier nur eine Trophie­stufe eingespart wird, ist der Unterschied bereits deutlich zu erkennen.

Orca-Tagesration

Noch mehr Stufen sparen einige der großen Barten­wale ein, wie der in der Straße von Gibraltar vorkom­mende Finnwal. Er frisst hauptsächlich Krill, also größeres Zoo­plankton, das sich sich direkt von Phyto­plankton ernährt. Finnwale kommen also mit drei Trophie­stufen aus. Das ist auch ein Grund, warum die Barten­wale so groß werden können

Man kann es natürlich keinem Tier verübeln, wenn es mehr Trophie­stufen benötigt. Die Lebe­wesen haben sich über Millionen Jahre an die Gegeben­heiten der Natur in ihrem Lebens­raum angepasst – da ist Platz für alle. Wichtig ist, dass wir für uns Menschen aus diesen Beziehungen lernen.

Was können wir aus der Nahrungskette lernen?

Die Nahrungskette lässt uns abschätzen, wie viel Bio­masse in den jeweiligen Trophiestufen nötig ist, um ein Ökosystem in seiner Form auf­recht­zu­erhalten.

Die Biomasse der Produ­zenten (also Pflanzen, Algen usw.) hat immer Einfluss auf die Zahl der Konsumenten. Eigentlich logisch – ohne Nahrung müssen wir verhungern. Aber wusstest du, dass umgekehrt auch Fleisch­fresser einen Einfluss auf die Produ­zenten haben? An der Pazifik­küste Kaliforniens fand man beispiels­weise heraus, dass See­otter helfen können, die See­gras­wiesen zu retten. Man nennt das trophische Kaskade. Klicke die Info-Punkte in der Grafik an und erfahre, wie das möglich ist.

Auch die Anreicherung von Giftstoffen, Mikroplastik, Schwermetallen usw. lässt sich mithilfe von Nahrungskette und Nahrungspyramide gut verdeutlichen. Im Gegensatz zur Energie sammeln diese sich nämlich von einer Trophiestufe zur nächsten immer weiter in den Körpern der Tiere an. Vor allem die Spitzenprädatoren in den Meeren, wie Orcas und andere Wale, sind so besonders stark durch Umweltgifte belastet.

Nahrungsnetz

Das Nahrungsnetz verknüpft verschiedene Nahrungsketten miteinander und gibt uns so einen größeren Überblick über die Nahrungsbeziehungen in einem Ökosystem. Schließlich ernähren sich die meisten Lebewesen ja nicht ausschließlich von einer Art. Auch die Destruenten, die bei der Nahrungskette meist außer Acht gelassen werden, sind hier mit einbezogen.

Wähle im folgenden Quiz die richtige Antwort zu den Tieren aus und erfahre mehr über das Nahrungsnetz.

Warum ist es wichtig für uns, die Nahrungs­netze im Meer besser zu verstehen? Fällt eine Art weg oder wird stark dezimiert, muss sich die Natur neu ordnen. Vor allem der Ein­griff von uns Menschen in die Natur kann das gesamte Öko­system stark verändern. Die Beziehungen sind manchmal gar nicht offen­sichtlich, können aber verheerende Folgen haben. So hat die Über­fischung der Sardinen in einigen Gebieten zu wahren Quallen­plagen geführt. Sardinen und Quallen ernähren sich beide hauptsächlich von Zoo­plankton, sind also Nahrungs­konkurrenten. Durch den Rückgang der Sardinen gab es plötzlich mehr Nahrung für die Quallen. Außerdem fehlten die Fischlarven der Sardinen, die sich von Quallen­larven ernährten und so die Zahl der Nessel­tiere in Schach hielten.

Nahrungskreislauf

Das Nahrungsnetz zeigt deutlich, wie die verschiedensten Lebe­wesen miteinander in Beziehung stehen. Und letztendlich fügt sich alles zu einem Nahrungs­kreislauf zusammen. Klick die Info-Punkte an, um mehr über den Nahrungs­kreislauf zu erfahren.

Anorganisches Material lagert sich in den Meeren häufig als Sediment am Meeres­boden ab. Es ist dann nicht mehr für den Nahrungs­kreislauf verfügbar. Die Straße von Gibraltar ist aber eines von vielen wichtigen Gebieten, in denen diese Substanzen doch wieder an die Oberfläche kommen und daher erneut für die Primär­produktion genutzt werden können. Mehr dazu erfährst du in unserer Lerneinheit Bedeutung der Straße von Gibraltar für die Artenvielfalt, die unten in den Lern­themen-Empfehlungen verlinkt ist.

Zusammenfassung

Du hast in diesem Kapitel viel über die Nahrungs­kette, das Nahrungs­netz und den Nahrungs­kreislauf gelernt. Lass uns die wichtigsten Punkte noch einmal zusammen­fassen.

Wie möchtest du weitermachen?

Was interessiert dich als Nächstes? Möchtest du weitere Lernthemen auf firmm-education entdecken oder dich noch intensiver mit den Themen rund um Nahrungskette, Nahrungspyramide und Nahrungsnetz beschäftigen? Für beides haben wir hier ein paar Empfehlungen.

Lernthemen-Empfehlungen

Einige hier erwähnte Informationen werden an anderer Stelle noch ausführlicher behandelt. Du könntest zum Beispiel mit einem der folgenden Themen weitermachen:

Quellen und Zusatzinfos

Du möchstest noch mehr über Themen rund um Nahrungskette und Nahrungsnetz erfahren? In unseren Quellen für dieses Lernthema findest du viele zusätzliche Informationen:

Stiftung firmm

Die Stiftung firmm setzt sich aktiv für die Erforschung und den Schutz von Walen und Delfinen und ihres Lebensraums Meer ein.

Unser Standort Tarifa an der Straße von Gibraltar dient als Forschungs­station und bietet allen Besuchern die Möglich­keit, die faszinierenden Meeressäugetiere in ihrem natürlichen Lebens­raum zu erleben.