Bartenwale und Zahnwale
Bücher über Wale haben meist den Titel Wale und Delfine. Beschäftigt man sich aber etwas genauer mit dem Thema, lernt man, dass Wale eigentlich ganz anders unterteilt werden.
Schauen wir uns gemeinsam an, was Bartenwale und Zahnwale unterscheidet und warum eine Aufteilung in Wale und Delfine schwierig ist.
Wie werden Wale unterteilt?
Wissenschaftlich korrekt unterteilen wir Wale in Zahnwale (Odontoceti) und Bartenwale (Mysticeti).
Welche unterschiedlichen Merkmale haben Zahnwale und Bartenwale? Zunächst einmal fällt bei der Unterteilung das Wort Zahn auf.
Zahnwale haben Zähne – haben Bartenwale einen Bart?
Der wissenschaftliche Name für Bartenwale –Mysticeti – hat tatsächlich etwas mit „Bart“ zu tun, das Wort bedeutet „Schnurrbärtige Wale“. Allerdings haben Wale im Laufe der Evolution ihre Behaarung verloren, und da ist auch kein Schnurrbart übrig geblieben! Anstelle von Zähnen haben Bartenwale faserige Hornplatten im Maul, die man Barten nennt.
Zahnwal, beiß die Zähne zusammen!
Die Urwale besaßen noch unterschiedliche Zähne zum Greifen, Reißen und Zerkauen der Beute. Bei den heutigen Walen sehen aber alle Zähne gleich aus. Dies ist wichtig, um die glitschige Beute im Wasser packen und festhalten zu können. Kauen ist bei Walen kein Thema – die Happen werden gleich am Stück geschluckt.
Wer hat den Bartenwalen die Zähne gezogen?
Urwale eroberten bereits verschiedene Lebensbereiche und passten sich dort an die Gegebenheiten und Nahrung an. In der Nähe der Antarktis gab es damals schon viel Plankton und die dort lebenden Wale stellten ihre Ernährung von Fisch auf Krill um. Krill ist sehr nährstoffreich aber auch zu klein, um von den Walen mit den Zähnen gepackt zu werden. Wahrscheinlich saugten die Wale die Tierchen zuerst ein. Die Evolution sorgte dann für eine immer bessere Anpassung des Gebisses. Es entstanden Zähne mit Spitzen, die wie ein Gitter die Nahrung im Maul zurückhielten. Über Millionen von Jahren entwickelten sich fransige Hornplatten, mit denen die Bartenwale heute die Nahrung aus dem Wasser filtern.
Was ist Krill?
Als Krill bezeichnet man kleine garnelenförmige Krebstiere. Sie treiben als Plankton im Meer herum und werden nur etwa 5 cm groß.
Nahrungssuche
Zahnwale senden ähnlich wie Fledermäuse Laute aus, die vom Umfeld reflektiert werden. So erkennen sie ihre Beute und wissen, wie groß das Tier ist, in welche Richtung es schwimmt und wie schnell es unterwegs ist. Diese Methode nennt man Echoortung oder Sonar. Mehr darüber kannst du im Thema Orientierung erfahren.
Bartenwale haben kein mit Zahnwalen vergleichbares Sonarsystem. Aber trotzdem scheinen sie Krillschwärme zu erkennen. Es wird noch erforscht, wie das genau geschieht. Da Bartenwale auch unter Wasser mit dem Außenohr hören, nahm man bisher an, dass sie auf Geräusche der in Schwärmen lebenden Schalentiere reagieren.
Bei Grönlandwalen fand man aber heraus, dass sie zumindest über Wasser auch recht gut riechen können. Zurzeit laufen Studien, ob auch andere Bartenwale auf die Konzentration von Dimethylsulfid (DMS) reagieren. DMS ist für den typischen Meergeruch verantwortlich und entsteht zum Beispiel, wenn Phytoplankton durch Zooplankton gefressen wird.
Wenn die Konzentration von DMS sehr hoch ist, könnten Bartenwale eventuell erkennen, dass sich dort ein großer Krillschwarm befindet. Das ist für Wale wichtig zu wissen, denn das Schwimmen mit geöffnetem Maul bremst die Tiere enorm ab. Für einen kleinen Krillschwarm lohnt es sich nicht, das Maul aufzureißen. Sie müssten dann mehr Energie investieren, als sie durch die Nahrung aufnehmen.
Im folgenden Video von National Geographic siehst du einen Blauwal, der einen größeren Krillschwarm verspeist und durch einen kleineren einfach hindurch schwimmt.
Kopfform und Blasloch
Der Kopf der Zahnwale ist von oben betrachtet leicht asymmetrisch. Dafür sorgt die Melone, eine wachsartige Substanz in der Stirn, die für die Echoortung zuständig ist. Im Gegensatz zu Bartenwalen haben Zahnwale nur ein Blasloch. Auf den Bildern vom Grindwal kann man das Blasloch deutlich erkennen. Oben das geöffnete Blasloch; auf dem Bild darunter schließt sich das Loch beim Abtauchen, damit kein Wasser eindringen kann.
Bartenwale haben eine symmetrische Kopfform und ein paariges Blasloch. Es erinnert mit der Wölbung und den beiden Öffnungen ein wenig an eine menschliche Nase. Im Video vom Blauwal oben und auf dem folgenden Bild von einem Finnwal kann man das ganz gut erkennen.
Familien der Barten- und Zahnwale
Die meisten der ungefähr 80 heute lebenden Walarten sind Zahnwale, etwa 40 von ihnen werden der Familie der Delfine zugeordnet. Nur 15 Walarten gehören zu den Bartenwalen. Nach ihren Merkmalen werden Barten- und Zahnwale in Familien zusammengefasst.
Bartenwalfamilien
Bei Bartenwalen unterscheiden wir vier Familien: Glattwale, Zwergglattwale, Furchenwale und Grauwale. Klick dich durch unsere Übersicht und finde heraus, wie sich diese Familien voneinander unterscheiden.
Glattwale (Balaenidae)
Zur Familie der Glattwale (Balaenidae) gehören vier Arten: Grönlandwal (Balaena mysticetus), Atlantischer Nordkaper (Eubalaena glacialis), Pazifischer Nordkaper (Eubalaena japonica) und Südkaper (Eubalaena australis). Die letzten drei sehen sich zum Verwechseln ähnlich, gelten aber als unterschiedliche Arten, weil sich ihre Lebensräume nie überschneiden. Der Atlantische Nordkaper kam einst auch in der Straße von Gibraltar vor, wurde aber durch den Walfang fast ausgerottet und gilt heute mit nur noch etwa 300 Exemplaren als stark vom Aussterben bedroht.
Bild: Balaena (links), Eubalaena (rechts)
Glattwale filtern ihre Nahrung kontinuierlich. Das Wasser strömt im vorderen Bereich des Mauls ein und an der Seite wieder heraus. Dabei bleibt das Plankton an den Barten hängen, die an den Seiten deutlich länger sind als vorn. Wenn sich genügend Nahrung angesammelt hat, schiebt sie der Wal mit der Zunge in den Rachen. Diese Art der Nahrungsaufnahme nennt man Schöpfmethode.
Furchenwale (Balaenopteridae)
Wenn der Wal sein Maul schließt und das Wasser wieder herauspresst, bleibt die Nahrung an den kurzen Barten hängen und wird hinuntergeschluckt. Diese Art der Nahrungsaufnahme nennt man Schluckfiltrieren.
Bild: Finnwal und Buckelwal
Zwergglattwale (Cetotheriidae)
Zur Familie der Zwergglattwale (Cetotheriidae) gehört heute nur noch eine Art, der Zwergglattwal (Caperea marginata). Alle anderen Vertreter dieser Familie sind ausgestorben. Es handelt sich um die kleinsten Vertreter der Bartenwale. Da sie nur selten gesichtet werden, weiß man nicht viel über diese Familie.
Ursprünglich wurden diese Wale zur Familie der Glattwale gezählt. Sie haben keine Furchen und einen gewölbten Unterkiefer (das Rostrum). Durch die schlanke Körperform und die Finne besteht aber auch eine Ähnlichkeit zu den Furchenwalen.
Grauwale (Eschrichtiidae)
Die Familie der Grauwale (Eschrichtiidae) hat Gemeinsamkeiten mit Furchen- und Glattwalen und besteht aus nur einer Art, dem Grauwal (Eschrichtius robustus). Grauwale haben keine Finne. An der Kehle befinden sich meist zwei, manchmal auch drei bis sieben kleine Furchen.
Die langsamen Schwimmer erreichen nur etwa 8 km/h. Im Atlantik wurden sie vermutlich bereits im 17. Jahrhundert ausgerottet. Heute gibt es lediglich zwei Populationen im Pazifik – eine an der Westküste Nordamerikas und eine an der asiatischen Küste. Letztere besteht nur noch aus 100-200 Individuen und ist somit stark vom Aussterben bedroht.
Grauwale haben kurze, robuste Barten. Mit ihnen können sie Krebse und Muscheln aus dem Wasser filtern, die sie am Meeresboden aufwirbeln. Dabei hat jedes Individuum eine bevorzugte Seite. Auf dieser Seite sind die Barten stärker abgenutzt.
Zahnwalfamilien
Die Zahnwale unterteilen wir in Flussdelfine, Schnabelwale, Pottwale, Zwergpottwale, Schweinswale, Gründelwale und Delfine (Meeresdelfine). Klicke die Infofelder an, um mehr über die einzelnen Zahnwalfamilien zu erfahren.
Warum sprechen wir trotzdem von Walen und Delfinen?
Wie du in der Übersicht oben gesehen hast, sind Meeresdelfine (Delphinidae) nur eine Familie innerhalb der Ordnung der Wale. Gemeinsam mit den Schweinswalen und Gründelwalen bilden sie die Überfamilie Delfinartige (Delphinoidea). Die Flussdelfine zählen nicht zu dieser Überfamilie, obwohl sie auch das Wort Delfin im Namen tragen.
Trotzdem ist es nicht falsch, von Walen und Delfinen zu sprechen. Bei Wal und Delfin hat schließlich jeder gleich ein Bild vor Augen: Wale, das sind die ganz Großen, die gemächlich durchs Meer schwimmen. Delfine sind die Kleinen mit ihren lustigen Sprüngen. Du weißt jetzt aber, dass es in Wirklichkeit nicht ganz so einfach ist.
Zusammenfassung
In dieser Lektion über Barten- und Zahnwale hast du dir richtiges Fachwissen angeeignet. Teste in unserem Quiz, was du dir alles gemerkt hast.
Wie möchtest du weitermachen?
Was interessiert dich als Nächstes? Möchtest du weitere Lernthemen auf firmm-education entdecken oder noch mehr über Barten- und Zahnwale erfahren? Für beides haben wir hier ein paar Empfehlungen.
Lernthemen-Empfehlungen
Passend zu dem, was du hier über Barten- und Zahnwale gelernt hast, könntest du mit einem der folgenden Themen weitermachen:
- Weitere Infos zu Walen und Delfinen
- Bedeutung der Straße von Gibraltar für die Artenvielfalt
- Evolution der Wale
- Aufteilung der Tierwelt nach Art, Familie, Ordnung usw. (in Vorbereitung)
- Einstufung des Gefährdungsgrades laut IUCN (in Vorbereitung)
Quellen und Zusatzinfos
Du möchtest dir noch mehr Wissen zu Bartenwalen und Zahnwalen aneignen? In unseren Quellen für dieses Lernthema findest du viele zusätzliche Informationen:
- Auflistung der Walarten nach Unterordnung und Familie sowie Informationen zu jeder Art auf wale.info
- Weitere Infos rund um das Blauwal-Video von National Geographic
- Interessante Videos über Wale in unserer Infothek
- Infos über den Geruchssinn von Grönlandwalen im NewScientist (en)
- Infos zur Studie, wie Bartenwale vermutlich Krill aufspüren (en)
Buchtipps – leider nur auf Englisch, da derzeit die deutschsprachigen Ausgaben vergriffen sind:
- Handbook of Whales, Dolphins, and Porpoises of the World, Autor: Mark Carwardine, engl. Ausgabe: 02/2020
- Whales, Dolphins and Seals – A field guide to the marine mammals of the world, Autoren: Brett Jarrett, Hadoram Shirihai, engl. Ausgabe: 02/2019